Der Altonaer Volkspark

Die winterliche Melancholie einer filetierten Grünfläche

Derzeit kursieren groß angelegte Pläne für den Altonaer Volkspark: der Hamburger Senat möchte den etwas vernachlässigten, flächenmäßig größten Park der Stadt mit einem vielfältigen Freizeit- und Sportagebot aufwerten; es sollen u.a. eine Fußball-Halle mit Indoor-Spielplatz, ein Hochseil-Klettergarten, markierte und beleuchtete Laufstrecken, ein asphaltierter Rundkurs für Radfahrer, Skater und Handbiker und eine Trainingshalle für Eishockey entstehen. Neben der bereits existierenden Pferderennbahn, der Barclaycard-Arena, der Volksbank-Arena und dem Volkspark-Stadion möchte der HSV ein zweites Stadion bauen; der Senat plant außerdem eine „Plaza“ für Festivals und Entertainment mit einer weithin sichtbaren Medienskulptur, ein Spaß- und Erlebnisbad, einen Tenniskomplex sowie weitere Parkplätze. Nordöstlich werden die Grünflächen von der Schnackenburgallee begrenzt, hinter der sich einige Industriestandorte sowie eine Müllverbrennungsanlage angesiedelt haben. Der Volkspark kann durch die direkt an ihm vorbeilaufende A7 mit dem Auto erreicht werden; die Autobahn trennt ihn jedoch auch von sämtlichen östlich von ihm liegenden Hamburger Stadtteilen ab, wodurch ein Großteil der Hamburger den mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nur umständlich erreichbaren Park eher selten besucht.

der winterliche Volkspark
der winterliche Volkspark

Noch sind drei von vier Teilen des Altonaer Volksparks denkmalgeschützt: die von Linden umgebene, große Spielwiese im südlichen Parkteil, der Schulgarten mit seltenen Bäumen, Heidegarten, Hoch- und Niedermoor, Strand- und Dünenflora und die Waldlandschaft im Osten, in der auch ein altes Bauernhaus und der Tutenberg liegen.

Ich laufe an einem der ersten Dezembertage 2018 von der Bushaltestelle Trabrennbahn in Richtung Park, muss mir den Weg zu den hinter der Trabrennbahn hervorschauenden Baumwipfeln erfragen, verirre mich auf einem im Wintermatsch versinkenden Flohmarkt und finde schließlich den Eingang zum Volkspark. Vereinzelt verlieren sich Hunde nebst Besitzer auf der großen Wiese, auf der einige Bäume ihre kahlen Äste den Flugzeugen entgegenstrecken.

Baum auf der großen Spielwiese
Baum auf der großen Spielwiese
Bleiche Wintersonne hinter Baumsilhouetten
Bleiche Wintersonne hinter Baumsilhouetten

Niemand sitzt auf den Bänken, von denen die Farbe abblättert; die Wege durch das Waldstück in Richtung Tutenberg sind völlig verlassen. Die gedeckten, fast völlig entsättigten Farben um mich – rauchiges grün, schummriges blau, rostrot, ocker, graubraun, ziegelrot – die verschiedenen Strukturen der Äste, die feinen Helligkeitsnuancen im grauen Himmel, die Moose, die wenigen, leisen Geräusche der Vögel, die fahlen Spiegelungen in einem minzgrünen Tümpel, die Verlassenheit der Wege, all diese zarten Erscheinungen verbinden sich in mir zu einer wehmütigen und rührenden winterlichen Symphonie, wie ein Lied mit wenigen Instrumenten, ohne Höhepunkte, mit vielen Wiederholungen in wenigen Tönen.

  

Ich erreiche den Tutenberg, eine kleine, geometrisch angelegte, terrassierte Anhöhe in der Mitte des Waldgebietes und ersteige die 50 Stufen mit Vorfreude auf die Aussicht. Oben angekommen, wird mir die Rundumsicht von 3-4 Meter hohen Bäumen verwehrt, die rund um den Hügel gepflanzt sind. Nur eine schmale Sichtachse auf die Mülldeponie hinter dem Park bietet sich mir.

Treppe zum Tutenberg, vereinzelt Laub
Treppe zum Tutenberg, vereinzelt Laub

Ich schlendere weiter durch den Park und lande immer wieder auf dem grauem Beton rund um das Volksparkstadion, zu dem mich die Wege leiten. Glücklicherweise habe ich die Parkkarte mit meinem Handy abfotografiert, denn die Karten innerhalb des Parks sind spärlich verteilt.

Doch das Handy wird schwächer, es wird dunkel und ich laufe unter dem weiter ergrauenden, sich langsam verdunkelnden Himmel durch den Parkfriedhof. Einsame Blumensträuße stehen auf einer Wiese wie zu wenige Rosinen in einem Stuten, ebenso vereinzelt sind die Gräber geschmückt. Der Dahliengarten liegt winterlich brach, nur die Rankstäbe ragen wie ein Heer aus kleinen, aufgereihten Speeren auf einem verlassenen Schlachtfeld aus der graubraunen Erde.

Tümpel, Dahliengarten, Volksparkstadion
Tümpel, Dahliengarten, Volksparkstadion

Bei Anbruch der Dunkelheit erreiche ich die Bushaltestelle Stadionstraße und finde mich kurz darauf im völlig überfüllten Bus wieder. Die Parkeinsamkeit fehlt mir jetzt schon; gerne wäre ich noch länger ganz allein umhergeschlendert.

Liebe Gäste der Superbuden: unabhängig von den verschiedensten Meinungen zur Nutzung des Parks in den kommenden Jahren möchte ich Euch sehr ans Herz legen, hier einmal einen Winterspaziergang zu machen und die zarte, einmalige, vergängliche Stimmung einzuatmen.

 

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Inga Lankenau

Hallo liebe Gäste! Ich bin Inga und arbeite als freie Künstlerin, Illustratorin, Dozentin und als Bloggerin für die zauberschöne Superbude. Auf unserem Superbude-Blog könnt ihr mehr über unsere neuesten Frühstücksaufstrichsrezepte, unsere Lieblingsorte und -Veranstaltungen und über Hamburgerisches und Superbudiges erfahren.

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