In einem Atelier in LA, Kalifornien, USA, rollen LKWs voller Legosteine an. Der 42-jährige Nathan Sawaya baut als „Lego Certified Professional“ millionenweise Steinchen zu groß gewordenen Kindheitsträumen aufeinander. Seine Legobauten – ein enormer T-Rex, die Mona Lisa, Michelangelos David, aber auch eigene menschengroße Statuen – sind nun erstmalig im Rahmen der Ausstellung „The Art of the Brick“ in der HafenCity in Hamburg zu sehen.
Bis zum 19. Juli 2016 besteht die Möglichkeit, 85 Legowerke Sawayas in der Kulturcompagnie (ganz in der Nähe des Maritimen Museums in der HafenCity) zu bestaunen. In den gediegen schwarz, grau oder dunkelrot gehaltenen Gängen stehen unter anderem, perfekt beleuchtet, menschengroße, wie aus Pixeln zusammengesetzte Statuen, ein Rundumschlag aus der modernen Kunst, ein Dinosaurier, eine Erdkugel, ein durchsichtiges Kirchenfenstermosaik und 3 Torsi in Karminrot, Ultramarinblau und Sonnengelb – diesen in Kunstbüchern, Spielzeugdesignvorgaben und Schulen hartnäckig als Grundfarben gepriesenen Farbtönen, die jedoch weder mit den Grundfarben der additiven noch der subtraktiven Farbmischung kongruent sind – die anstatt des Kopfes installierte Grundformen tragen: Kugel, Zylinder und Kubus, deren Zuordnung zu den oben genannten Farben die Kunstwelt mindestens seit Kandinskis Synästhesiergüssen (=Über das Geistige in der Kunst) zu verbissenen, gar rasenden Disputen veranlasst.
Als eines der wandelbarsten Spielzeuge des Planeten inspiriert der Legostein seit 1949, als der dänische Tischlermeister Ole Kirk Christiansen den bunten Baustein erfand und ihm den aus „leg godt“ (zu Deutsch „spiel gut“) abgeleiteten Namen „Lego“ gab, kleine und große Kinder. Unzählige Kinderzimmer und Hobbykeller mutierten durch diese Entwicklung zu farbenfrohen Baustellen und zu geheimnisvollen Spielorten der Phantasie. Die bisherige weltweite Legoproduktion ist so umfangreich, dass jeder aktuell existierende Mensch bei gerechter Verteilung 70 Bausteine bekäme.
Der US-Amerikaner Nathan Sawaya hat als passionierter Legomane ebenfalls seit seiner Kindheit mit den bunten Noppensteinen gespielt – allerdings hörte er damit nie auf, sondern professionalisierte seine Fähigkeiten. Nach der Schule und später nach der New York Law School oder nach seinem Arbeitstag als Wirtschaftsanwalt beschäftigte Sawaya sich ausgiebig mit dem Legobau. Seine Passion führte zu einer zweiten Ausbildung zum „Lego-Meisterbauer“ bei dem mittlerweile weltbekannten Spielzeugkonzern Lego. Als Meisterstück entwarf er eine Kugel, die rund genug zum rollen war. Bei seiner Arbeit beschränkt der Legomeister sich größtenteils auf die klassischen Bausteine in den typischen Legofarben und arbeitet mal nach eigener Zeichnung, mal mit Software. Für die bessere Haltbarkeit werden seine Skulpturen mit Superkleber verleimt.
Heute lebt Sawaya ausschließlich als Legobaumeister und hat das Privileg, vom Konzern unzählige Steine beziehen zu können. Seine u.a. in Barcelona, Seattle, Rom und Sydney und nun aktuell bei uns in Hamburg präsentierte Ausstellung „The Art of the Brick“ (weltweit zwei Millionen Besucher) besteht aus über einer Million Legosteinen. Der Dinosaurier wurde aus erstaunlichen 80,020 Steinen, ein Selbstportrait von Rembrandt aus 1,948, Michelangelos David aus 16,349, Munchs „Schrei“ aus 3,991 und Rodins „Denker“ aus 4,332 Legoteilchen entworfen.
Ich möchte diese Ausstellung unseren Superbuden-Gästen mit Kindern besonders ans Herz legen. An den großen, aus Lego gemeißelten Kindheitsträumen haben sicherlich Hamburg-Besucher jeden Alters ihre Freude.
Falls Ihr durch die Ausstellung daran erinnert werdet, dass Ihr schon seit Jahren einmal das Legoland in Günzburg in Bayern (bestehend aus 55 Millionen Legobausteinen) besuchten wolltet: zwischen dem 24. und dem 30. Juni besteht die Möglichkeit, im Legoland am höchsten Legoturm der Welt mitzubauen. Auch dort werdet Ihr die Faszination Lego umfangreich erleben können – denn das Mitbauen und die Freude an skurrilen, von kleinen Künstlern entworfenen Legogebilden (beispielsweise einem Giraffenhals mit integriertem Blumenkorb oder einem ausschließlich aus Türen und Fenstern bestehendem, schlankem Turm) oder die Integration des Spielzeugs in die echte Welt erfüllt uns womöglich bei genauer Betrachtung bei Weitem mehr mit Inspiration und Erstaunen über das künstlerische Potential des Neu-Erschaffens als die handwerklich überaus gekonnte, aber lediglich nachbildende Reproduktion der Realität – ganz egal ob es sich um Super Mario, den Parthenon oder die Mona Lisa handelt.
Eure Inga aus der Superbude
Nächste Woche lernt Ihr hier das Uebel und Gefährlich näher kennen!
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