Feelslikehome.

Unterwegs sein und sich gleichzeitig zu Hause fühlen – dieses emotionale Oxymoron ist für den Weltenbummler kostbarster Seelenbalsam und Heimwehallheilmittel – insbesondere, wenn er eine Gitarre, eine Loopstation und einen Traumhaufen mit sich trägt, auf seiner Wohnzimmer-Welttournee das Bett genauso oft wechselt wie seine Klamotten und sich allmorgentlich den Kopf an einer fremden Kultur stößt.

Wohnzimmerkonzerte und Shows in herrlich charaktervollen, halbleeren, zwielichtigen, von Bierfilm beseelten Kaschemmen, ein von plötzlicher Wanderlust oder Musikliebe elektrisiertes zwei- oder zweihundertköpfiges Publikum, ein sich neben dem Traumhaufen anhäufender Geschichtenhaufen – dies sind Noten des Lebenselexiers eines Singer-Songwriters auf Reisen.

Dannie und Johannes von feelslikehome trafen vor etwa sechs Jahren – bevor feelslikehome existierte – in der Rockwood Music Hall in New York drei Musiker: Ari Hest, Greg Holden und Ian Axel. Die Musik der drei gefiel den beiden derartig gut, dass sie sie nach Deutschland einluden.

Die Künstler sagten zu. Und genau an diesem Punkt liegt bereits die besondere Magie der Erlebnisse auf Reisen. Als würde allein das Unterwegs-Sein dem kleinen Alltags-Zufall das Zeugs zu Superhelden geben. Eine Begegnung in New York und die daraus resultierende Frage, wie man denn nun einer auf eine übermütige Einladung gefolgte Zusage gerecht werden kann, führte zur Gründung der Benefiz-Veranstaltung feelslikehome.

Das Konzept: Dannie und Johannes schaffen mit feelslikehome eine Plattform für Singer-Songwriter aus aller Welt, die sie auf Konzerten oder in herrlich charaktervollen Bars entdecken. Um deren Musik einem größeren Publikum zugänglich zu machen, helfen sie den Künstlern bei der Organisation ihrer Tour und kümmern sich um Locations, Übernachtungen etc. Ihr Anspruch ist, dass die Künstler in familiärer Atmosphäre ein Stück Zuhause in der Ferne erleben können. Jede Veranstaltung wird durch Lesungen deutscher Autoren abgerundet.

Feelslikehome unterstützt mit den Erlösen aus den Veranstaltungen soziale Projekte mit Musikbezug. Beim gestrigen 5-jährigen Jubiläum gingen die Spenden an „Musiker ohne Grenzen“ – ein Verein, der Freiwillige in Länder wie Ecuador, Indien oder Ghana sendet, um dort für ein halbes Jahr Kindern Musikunterricht zu geben. Das große Ziel des Vereins ist, so vielen Kindern wie möglich den Zugang zur Musik zu ermöglichen.

Als Location hatte ich eine knustige Bar erwartet, doch die durch sanft gedimmte Neonröhren mit scheinheiligen Reflektionen versehenen Lackstühle, die einen stumm darum baten sich vor dem Hinsetzen zu entfusseln, die alten, teuren Orientteppiche, die alten, teuren Ohrensessel und der Mann im Bananenanzug brachten mich dazu, meinen Horizont zu erweitern, mich zu entfusseln und mich daran zu erinnern, dass es sich hier um ein Jubiläum handelt, das Champagner und eine gut designte Location verdient, deren Architektur das Flimmern des Abendlichts auf dem Alsterwasser einlädt, über Wände und Gesichter zu wandern.

Was kann man sagen – sowohl die Musik als auch die Lesung waren ein Genuss. Als erstes trat Kat Frankie mit ihrer sehr bezaubernden Stimme auf die Bühne, aus der sie mit ihrer Loopstation einen Solo-A-capella-Chor zauberte oder die sie mit einem liebevoll als „delicious“ bezeichneten Drumcomputer -Schätzchen untermalte.

Der Autor Benedict Wells las aus seinem Buch „Becks letzter Sommer“ vor – ein Buch, das sowohl stilistisch als auch inhaltlich sehr musikbezogen ist: Es ist in eine homorvolle A-Seite und eine melancholische B-Seite aufgeteilt und erzählt die Geschichte eines leicht ergrimmten, alternden Musiklehrers, der, so erfuhren wir in der gestrigen Lesung,  sein Fettsein als gottgewollt und so „furchtbar, aber unvermeidlich wie die letzten Alben von REM“ betrachtet.

Im Anschluss an die erheiternd-nachdenkliche Lesung belebte der mal hoch, mal rauh singende Jonas David die Bühne, mit sphärischen Gitarrenklängen und einem Beat, bei dem man manchmal dachte er würde den Boden nicht mehr berühren. Sein Kommentar zu Hamburg: „Ich fahr hier rein und mir geht die Buchse auf!“

Zum Abschluss trat Jonatha Brooke auf die Bühne, die mit ihren persönlichen Songs und ihren Geschichten über die Wohnsituation mit ihrer alten, witzigen Mutter und ein daraus entstandenes Theaterstück die familiäre Atmosphäre des Abends unterstrich.

Wir freuen uns, dass Dannie und Johannes auf der Suche nach einem Zuhause in der Ferne unsere Superbude als Domizil für die Künstler gewählt haben und begrüßen alle herzlich an Bord!

Die Daten für die nächste feelslikehome Veranstaltung in Hamburg stehen noch nicht fest, aber sie wird kommen.

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