Von Kino zu Kino
VON KINO ZU KINO
Wo gute Kinos sind, stimmt meist auch alles andere: Die Filmstudentinnen und Kino-Nerds Clementine und Elena nehmen uns mit auf einen persönlichen Rundgang durch das cineastische Wien.
Zu Höchstzeiten zählte Wien über 200 Kinos. Dann kam der Fernseher und die Kinos wurden immer weniger. Heute sind es 27. Trotz dieser Reduzierung gehört die Wiener Kinoszene zu den einzigartigsten und vielfältigsten Europas. Die kleinen Kinos mit einem oder zwei Sälen, die uns in ihren Räumlichkeiten in eine vergangene Zeit versetzen und auf der Leinwand mit Arthouse-Filmen unterhalten und inspirieren. In Wien gibt es sie noch!
Wir beginnen unseren Spaziergang im Stadtpark, überqueren den Wienfluss und passieren den Parkteich. Beim Parkring huschen wir über die breite, viel befahrene Straße und erreichen gleich darauf unsere erste Station: das Gartenbaukino.Das Gartenbaukino ist eng mit dem größten österreichischen Filmfestival, der Viennale, verbunden. In den 1960er-Jahren erbaut, gilt das Gartenbaukino als das prestigeträchtigste der Wiener Art- house-Kinos. Wie viele berühmte Filmschaffende hier wohl schon ein und aus gegangen sind? Einige Namen sind bekannt: David Lynch, Tilda Swinton, Martin Scorsese, Jane Fonda, Kirk Douglas. Kein Wunder, liest sich auf der sogenannten Fischerleuchte über dem Eingang doch der Schriftzug „Kino von Welt“.
„Im Gartenbaukino habe ich das allererste Mal um 6.30 Uhr einen Film in Gemeinschaft geschaut.
Im Frühstückskino zur Viennale lief ‚Booksmart‘. Ich habe anderthalb Stunden durchgelacht. Es war wie eine Therapie. Danach bin ich direkt zur Arbeit, total gut gelaunt.“
– Clementine
Foto © Rupert Steiner
„Das Metro ist eindeutig das Kino, das ich am häufigsten suchen muss. Von der Oper ausgehend weiß ich, wie ich herfinde, dann orientiere ich mich am McDonald’s-Schild. Aber wenn ich von woandersher komme, bin ich chancenlos.“
– Clementine
Foto © Severin Dostal
Wir begeben uns in die Wiener Altstadt. Dort häufen und winden sich viele kleine Gassen, was die Suche nach dem Metro Kinokulturhaus erschwert. Nicht nur dies-, sondern jedes Mal.
Im Kino in der Johannesgasse angelangt, werden wir von rotem Samt und dunklen Holzvertäfelungen begrüßt. Der Saal des Metro Kinokulturhauses ist denkmalgeschützt und war bis 1951 eigentlich ein Theatersaal, daher auch die Logen links und rechts der Sitzreihen. 50 Jahre später übernahm das Filmarchiv Austria die Kulturstätte und nutzt sie seitdem als Plattform zur Präsentation der eigenen Arbeit. Kurzum: Das Metro ist ein Ort der Aufarbeitung österreichischer Filmkultur. Wer noch etwas verweilen möchte, schmökert im hauseigenen Buchladen oder trinkt einen Kaffee im charmanten Foyer.
Wir gehen die Kärntner Straße hinunter, wo sich ein Shop an den nächsten reiht und sich viele Stadtfremde tummeln. Zielstrebig steuern wir auf die sehenswerte Staatsoper und den prunkvollen Ring zu. Es ist alles so schön in Wien! Von dort aus spazieren wir zum wuseligen Naschmarkt, wo wir uns eine Pizza to go holen. Damit gehen wir zum schikaneder, dem szenigsten und ältesten Kino Wiens. Neben einem überschaubaren Kinosaal findet sich dort auch eine Bar, die längst zum Szenetreffpunkt wurde.
Die letzte Station liegt in der Margaretenstraße, der wir lange folgen. Dann, endlich, taucht der bekannte Schriftzug auf: „Film“ in geschwungenen Buchstaben, darunter „Casino“ in grün, rot, blau leuchtenden Lettern. Wir sind beim Filmcasino angekommen.
Durch eine Umgestaltung in den 1950er-Jahren erhielt das Filmcasino seinen einzigartigen Charme, der von der Fassade durch das Foyer bis in den Kinosaal reicht. Das Filmcasino überzeugt nicht nur mit Interieur, sondern auch mit Inhalt. Mit innovativen und österreichweit einzigartigen Filmreihen setzt sich das Filmcasino für mehr Inklusion ein und feiert damit das Kino als Begegnungsort.
Angeregt durch unseren Spaziergang plaudern wir bei einem Kaffee am gepflasterten Margaretenplatz über salziges oder süßes Popcorn, fulminante und flaue Filmerlebnisse, Freiluftkino und Kinosterben. Damit das Kinosterben aber nicht das letzte Wort dieses Textes und nicht das Ende für die Branche ist, gilt vor allem eines: ins Kino gehen. Muss auch nicht in Wien sein, aber wir empfehlen es. Sehr sogar.
„Als ich das erste Mal vor dem Filmcasino stand, habe ich mich direkt verliebt. Innen wie außen einfach richtig tolle Architektur!“
– Elena
Foto © Stefan Köll
„Ich verbinde das schiki mit Pornos. Ich weiß nicht, ob es mein erster oder zweiter Abend in Wien war, jedenfalls war ich gerade hergezogen. Mein Mitbewohner meinte, das das Porn Film Festival ist, und fragte, ob ich mitwill. Und ich so: neue Stadt.
Neues Leben. Los! Also bin ich hin, ohne zu wissen, was mich erwarten wird.“
– Elena
Foto © Heimo Reisenhofer
„Gerade das Porn Film Festival, aber auch andere Events, die dort stattfinden, sind sehr aktivistische An- gelegenheiten. Auch das passt zum Szenigen.“
– Clementine
Foto © Fleck
Gibt’s das auch in Hamburg?
Aber sicher! Ob das Studio Kino, ums Eck von der Superbude St. Pauli, das Savoy mit den bequemsten Ledersesseln oder das kleine Zeise Kino in Ottensen – Hamburg kann an der Programmkino-Spitze einiges vorweisen. Wenn doch mal Schmuddelwetter aufkommen sollte, ab ins Kino!